top of page

Der
Dramatiker Johann Christoph Friedrich von Schiller

BIOGRAFIE: Johann Christoph Friedrich Schiller, ab 1802 von Schiller (* 10. November 1759 in Marbach am Neckar; † 9. Mai 1805 in Weimar), war ein ArztDichterPhilosoph und Historiker. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen DramatikerLyriker und Essayisten.
KÖRNERS VORMITTAG oder: Ich habe mich rasieren lassen!
(1787)
  • Die Räuber (darin das Hektorlied) (1781)

  • Die Verschwörung des Fiesco zu Genua (1783)

  • Kabale und Liebe (1784)

  • Körners Vormittag (1787, szenischer Scherz, wohl zu Körners 31. Geburtstag aufgeführt)

  • Don Karlos (1787)

  • Der versöhnte Menschenfeind (unvollendet, 1790)

  • Wallenstein-Trilogie (1799)

  • Maria Stuart (1800)

  • Die Jungfrau von Orléans (1801)

  • Die Braut von Messina (1803)

  • Wilhelm Tell (1803/04)

  • Die Huldigung der Künste (1804)

  • Demetrius (unvollendet, 1805)

Ich_habe_mich_rasieren_lassen.jpg

1. als Schiller. Somermanchester. gelbe Pantoffel. Tobak.
2. als Seifenbekannter. Schuh und Strümpfe. Noten. Hut.
3. als Wolfin. Weiberrok. Salope. Haube.
4. Schuhmacher. Mantel. Stiefel. Schuhe.
5. Candidat. Schwarze Weste. Disputation. Schuh und Strümpfe. Schwarzer Rock.

 

Koerners Studierzimmer.

 

Ein Schreibtisch. Einige Seßel. Bücher. Alte Kleider. Wäsche.

 

KOERNER (im Schlafrock und Pantoffel, stehend vor einem Tische; schreibend, dann aufstehend) Endlich doch ein Vormittag, der mein ist. Ich will ihn auch benutzen, (ruft) Gottlieb!

 

GOTTLIEB (tritt auf). Herr Doktor!

 

KOERNER (fortschreibend) Rasieren! (Gottlieb sezt einen Stuhl, zieht Meßer ab, macht Seife an usf.)

 

SCHILLER (tritt auf) Guten Morgen, Körner.

 

KOERNER. Guten Morgen. – Nun?

 

SCHILLER. Schreibst du an Göschen heute.

 

KOERNER. Natur! – Du schickst Manuscript fort?

 

SCHILLER. Ich komme eben, deinen Raphaël abzuhohlen.

 

KOERNER. Ja. Ja. Wir wollen sehen.

 

SCHILLER. Du hast ihn doch fertig Körner.

 

KOERNER. Auf meinem Schreibtisch ligt, was ich gemacht habe.

 

SCHILLER (sucht, ließt) «Ein Glück wie das unsrige, Julius, ohne Unterbrechung, wäre zu viel für ein menschliches – – [»]. Wo gehts denn fort?

 

KOERNER. Das ist alles.

 

SCHILLER. Ach du lieber Gott! – Da bin ich wieder angeführt.

 

KOERNER. Lass nur gut seyn. Ich habe noch Zeit biß zum Consistorium.

 

SCHILLER. Den Augenblick schlägts neun Uhr.

 

KOERNER. Mach er Gottlieb! Mach er! –

 

MINNA (tritt auf) Da steht er wieder und hält meinen Mann auf. Sieht er denn nicht, daß er ins Consistorium muß – Hanswurst!

​

SCHILLER. Nu! Nu! Ich sage nur –

 

MINNA (steht lange in einer arbeitenden Stellung; endlich mit schrecklichem Durchbruch). Allzeit! –

 

KÖRNER. Bis ruhig Mietzchen. Ich habe noch Zeit genug.

 

GOTTLIEB. Es klopft jemand.

 

KÖRNER. Gottlieb seh er nach. (Gottlieb hinaus)

 

GOTTLIEB (kommt gleich wieder). Der Seifenbekannte, Herr Doktor! (Minna und Schiller ab)

 

KÖRNER. Muß mir denn der just jezt über den Hals kommen! Laß er ihn 'rein.

 

SEIFENBEKANNTER (tritt auf). Ich mache dem Herrn Oberkonsistorialrath meine unterthänige Empfehlung! – Da bring ich die Musikalien.

 

KÖRNER. Dank ihnen! Herr – – Mein Herr! wollen Sies nur dorthin legen.

 

SEIFENBEKANNTER. Eine Symphonie von van Hall ist darunter die dem Herrn Oberkonsistorialrath gewiß gefallen wird.

 

KÖRNER. So! So!

 

SEIFENBEKANNTER. Wenn der Herr Oberkonsistorialrath etwas von Sonaten brauchen? Ich habe eine prächtige von Gluck!

 

KÖRNER. Sehr obligiert! – Ich habe Ihnen auch noch einen Akt vom Carlos zu bezahlen.

 

SEIFENBEKANNTER. Nach Bequemlichkeit Herr Doktor, nach Bequemlichkeit!

 

KÖRNER. Ich bin jezt nur ein wenig pressiert.

 

SEIFENBEKANNTER (empfiehlt sich). Ich will nicht inkommodieren Herr Oberkonsistorialrath. Es kann anstehen biß morgen. Empfehle mich ganz ergebenst.

 

PROFESSOR BECKER (tritt auf)

 

BECKER (mit einem Kupferstich). Schönen guten Morgen.

 

KÖRNER. Bon jour Profeßor. Was bringen Sie da neues?

 

BECKER. Ein vortrefliches Blatt!

 

KÖRNER. Ein braves Blatt!

 

BECKER. Ich und die Rußische Kaiserin sind jezt die einzigen in Europa, die noch Abdrücke davon haben.

 

KOERNER. Ein tüchtiges Blatt!

 

BECKER. Das meinige aber ist das Beste.

 

KÖRNER. Ja. Ja.

 

MINNA (tritt auf). Mach, daß du fertig wirst Körner. Neun Uhr ist vorbei.

 

KOERNER. Gleich! Gleich!

 

MINNA. Guten Morgen Profeßor. Wie stehts mit der Gesundheit?

 

BECKER. Paßiert. Diesen Morgen hab ich mir ein Geschwür aufschneiden lassen. (Minna speit sich und läuft davon)

 

KÖRNER. Nichts neues Profeßor.

 

BECKER. Nichts als daß wir Adelung hieher bekommen!

 

KÖRNER. Ists richtig? – Das ist eine scharmante Acquisition!

 

BECKER. Die ganze Sache ist durch mich gegangen. Ich war zum Diner beim Minister Gutschmidt, wo wir langes und breites darüber sprachen.

 

KÖRNER. A propos, lieber Becker. – Ich habe da von Leipzig einen raren Elephanten Zahn überschickt bekommen –

​

GOTTLIEB. Es pocht jemand Herr Doctor. (hinaus)

 

BECKER. Die Stelle ist mir angetragen worden, aber was sollst du einem andern das Brod nehmen dacht ich. Adelung verdient Aufmunterung –

 

GOTTLIEB (kommt zurück). Ihr Bedienter Herr Profeßor. (Becker ab) Die Journale für Neumann.

 

KÖRNER. Dort unterm Tisch – in der Wäsche. Such er sie zusammen.

 

DORCHEN (tritt auf). Das Wirthschaftsgeld ist alle Körner. Du mußt mir neues geben.

 

KÖRNER. Wieviel brauchst du?

 

DORCHEN. Drei Thaler für den Buttermann. Sechs für den Fleischer.

 

KÖRNER. Donner auch! – Was ist heute?

 

DORCHEN. Montag.

 

KÖRNER. Da muß ein Brief kommen von Weber!

 

GOTTLIEB. Mademoiselle der ZeitungsMann!

 

DORCHEN (eilt hinaus).

 

KÖRNER. Wer pocht schon wieder?

 

GOTTLIEB. Der Schuhmacher und Schneider Miller!

 

KÖRNER. Just zur Unzeit. Sollen 'rein kommen!

 

SCHNEIDER MILLER. SCHUSTER (treten auf).

 

BEIDE. Schönen guten Morgen Herr Oberkonsistorialrath.

 

KOERNER. Schönen Dank!

 

SCHUSTER. Ich möchte gern das Maaß nehmen zu den Stiefeln.

 

SCHNEIDER. Und ich die Weste anprobieren.

 

KÖRNER. Ja! Gleich!

 

MINNA (tritt auf). Mach! Mach Körner, dass du in die Session kommst. Eben hats zehn nur geschlagen.

 

KÖRNER. Ich bin auch gleich fertig. Gib mir einen Kuß kleine Maus.

 

MINNA. Willst du noch eine Tasse Koerner?

 

KÖRNER. Gib mir noch eine Tasse Miezchen.

 

HUBER (tritt auf). Ich bringe dir den Rienzi Körner. Hast du Zeit, so will ich ihn vorlesen.

 

KÖRNER. Schicke!

 

(Schuster kniet, und mißt Stiefel an, Gottlieb rasiert, Minna bringt eine Tasse,

Huber geht auf und ab, ließt)

 

HUBER. «Rom ist zweimal der Sitz einer Universal – –

 

SCHUHMACHER. Hohe oder niedre Absätze Herr Oberkonsistorialrath.

 

KÖRNER. Mittel –

 

HUBER. – «einer Universalmonarchie gewesen.

 

MINNA. Ist der Caffe auch süß genug Körner?

 

KÖRNER. Ja kleine Maus.

​

HUBER. Rom ist zweimal der Sitz einer Universalmonarchie gewesen.

 

MINNA (gibt ihm eine Ohrfeige, ab). Pack er ein mit seinem Wisch – Esel!

 

HAASE (tritt auf).

 

HAASE. Guten Morgen, Körnerscher.

 

KOERNER. Gott grüße Haase. Wie gehts?

 

HAASE. Schleicht.

 

KOERNER. Was Neues in der Welt ?

 

HAASE. Nichts. Daß die la Motte echappiert ist, weißt du.

 

KOERNER. Ja. Das freut mich.

 

HAASE.

 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 

HAASE. Du hast zu thun. Ich will einstweilen in eine andre Gaße gehen. (ab)

 

MINNA (tritt auf). Der Stadtrichter Körner.

 

KÖRNER. Schaff ihn fort. Ich bin nicht zu Hause.

 

MINNA. Ja! Da ligt er nun mir auf dem Halse.

 

BASSENGE (tritt auf). Guten Morgen! Guten Morgen.

 

KÖRNER. Ah guten Tag Herr Bassenge.

 

BASSENGE. Ich komme, Sie zu meinem Kinde zu Gevatter zu bitten.

 

KOERNER. Gehorsamer Diener! Gehorsamer Diener! – Ein Junge oder ein Mädchen?

 

BASSENGE. Ein Mädchen vor dißmal.

 

KÖRNER. Meine Frau ist drinnen. Ich bin gleich fertig.

 

BASSENGE. Will nicht inkommodieren. (ab)

 

WOLFIN (streckt den Kopf zur Thüre herein). Darf man herein, Herr Doktor?

 

KÖRNER. Wird mir eine Ehre seyn. – Schönen Tag Madame Wolfin.

 

WOLFIN. Ich scheere mich gleich wieder. Ich wollte ihnen nur einen guten Morgen geben.

 

KÖRNER. Ich schönen Dank! –

 

WOLFIN. Ich sehe, daß Sie zu tun haben. Ich geniere Sie doch nicht?

 

KÖRNER. Nicht im geringsten Madame Wolfin.

​

WOLFIN. Sonst geh ich gleich wieder. (sezt sich)

 

KÖRNER. Herrliches Wetter Madame Wolfin.

 

WOLFIN. Sie haben da eine scharmante Leinwand. Was gilt die Elle.

 

KÖRNER. Das kann ihnen meine Frau sagen.

 

WOLFIN. Die Seßel sind recht hübsch überzogen. Wo haben Sie den Zeug her? Gewiß aus Leipzig?

 

KÖRNER. Fragen Sie meine Frau.

 

WOLFIN. A propos. Wie stehts mit dem Weine?

 

KÖRNER. Die Proben haben wir ausgetrunken. Er ist recht gut.

 

WOLFIN. Wieviel befehlen Sie.

 

KÖRNER. Vor der Hand nichts. Ich bin noch versehen.

 

DORCHEN (kommt). Graf Schönburg!

 

KÖRNER. Hohl ihn der Teufel! – Es wird mir eine Ehre seyn.

 

WOLFIN ab mit DORCHEN. Da muss ich mich trollen.

 

SCHÖNBURG (tritt auf).

 

KÖRNER. Bonjour Monsieur le Comte. Willkommen!

 

SCHÖNBURG. Ich habe einen herrlichen Schimmel zum verkaufen. Wißen Sie mir einen Liebhaber.

 

KOERNER. Wie theuer?

 

SCHÖNBURG. Eine Lumperei. Sechzig Louisdors.

 

KÖERNER. Ich wüßte niemand.

 

SCHÖNBURG. Sie haben eine gute Erbschaft gethan wie ich höre?

 

KOERNER. Geht mit.

 

SCHÖNBURG. Ich habe Commission für einen guten Freund Geld aufzunehmen.

 

KÖRNER. So. So.

 

SCHÖNBURG. Der Mann ist sicher wie Gold. Auf mein Wort.

 

KÖRNER. Zweifle gar nicht.

 

SCHÖNBURG. Hätten Sie vielleicht einiges vorräthig –

 

KÖRNER. Wir wollen ein andermal davon reden.

 

SCHÖNBURG knallt mit der Peitsche. Wo sind ihre Weiber?

 

KÖRNER. Vorn. Laßen sich frisieren. (Schönburg ab)

 

KÖCHIN (tritt auf). Der Meier vom Weinberg!

 

KÖRNER. Hab jezt keine Zeit. Soll nach dem Eßen wiederkommen.

 

BELLMANN (tritt auf). Kann ich die Claviere stimmen Herr Oberkonsistorialrath?

 

KÖRNER. Gehen Sie nur hinein Herr Bellmann.

​

DORCHEN (tritt auf). Der Tischler Körner.

 

KÖRNER. Was will er?

 

DORCHEN. Er bringt eine Rechnung.

 

KOERNER. Hohl ihn der Teufel – Er kann nach dem Eßen wiederkommen. Noch kein Briefträger da gewesen?

 

DORCHEN. Nein (ab).

 

MINNA. Mach Mach Koerner. Den Augenblick schlägts zwölf Uhr.

 

KÖERNER. Donner auch – Ich eile was ich kann, aber ich kann doch nicht hexen.

 

MINNA (empfindlich). Ich bin ja nicht Schuld daran. Brauchst du mich denn so anzufahren?

 

KÖRNER. Bis nicht böse kleine Maus. Hab's nicht gern gethan.

 

MINNA. Allzeit muss ichs entgelten! (ab) (man pocht).

 

KÖRNER. Wer pocht schon wieder? Will das währen biss an den jüngsten Tag.

 

GOTTLIEB (hinaus, kommt wieder). Ein Candidat. Herr Doctor!

 

KÖRNER (steht erboßt auf). Dass dich alle Teufel!

 

CANDIDAT (demütig). Ich gebe mir die Ehre dem Herrn Oberconsistorialrath meine dissertation de Transsubstantiatione zu überreichen.

 

KÖRNER. Er kann mich im Arsch leken.

 

CANDIDAT (geht stumm ab).

 

KOERNER. Was hab ich gesagt? – Ich glaube der Mann ist beleidigt. Lauf er ihm nach Gottlieb. Ich lass ihn zum Eßen bitten; (Gottlieb ab)

 

MINNA. SCHILLER. HUBER. (rennen ins Zimmer, alle zugleich!) Kuntze ist hier aus Leipzig! – Körner! Kunze ist hier! (rennen fort)

 

KOERNERS Monolog.So muss ich eilen und meine Hosen anziehen! Endlich bin ich allein! Mein schöner Vormittag! O mein herrlicher Vormittag! (er zieht seine Hosen an).

 

DORCHEN (rennt hinein.) Körner, Kunze ist (sie erblickt seine Hosen und flieht mit einem Schrei fort) O Himmel und Erde!

 

GOTTLIEB. Ein Brief aus Leipzig Herr Doctor!

 

KOERNER. Endlich! Gott sei Lob und Dank!

 

SCHILLER. HUBER MINNA. DORCHEN. (eilig). Du hast Briefe Koerner! – Von Weber?

 

KOERNER (erbricht ihn, wirft ihn trostlos von sich). Vom Vetter aus Weimar! – (alle stehen starr).

 

GOTTLIEB. Es schlägt Ein Uhr Herr Doctor.

 

KOERNER. Da ists zu spät ins Consistorium! – Lauf er hinein /

​

Gottlieb! Ich laße mich für heute entschuldigen!

 

DORCHEN. MINNA. SCHILLER. HUBER. Aber lieber Gott! Wo hast du den ganzen Vormittag hingebracht?

 

KÖRNER (in wichtiger Stellung). Ich habe mich rasieren lassen!

 

(Der Vorhang fällt)

​

​

​

bottom of page